Gambia ist mit einer Fläche von gerade einmal etwas mehr als 11.000 km² das kleinste Land Afrikas. Das heißt aber noch lange nicht, dass Gambia anderen afrikanischen Ländern in irgendetwas nachsteht! Ganz im Gegenteil, das westafrikanische Land, das komplett vom Senegal umschlossen ist, beeindruckt mit einer unglaublichen Tierwelt und ist als Naturparadies bekannt.
„The Smiling Coast of Africa“ ist das touristische Motto des Landes für den Küstenreifenstreifen im Westen. Dieses Credo, so finde ich, gilt für das ganze Land und dessen Bevölkerung. Überall begegnet einem das herzliche Lächeln, wo man mit den „Locals“ in Kontakt kommt. Eine angenehme und durchaus ansteckende Erfahrung.
Es ist es schon eine große Herausforderung, wenn über zwanzig Personen, vierzehn Tage, jeden Tag aufeinandertreffen. Dazu kommt: alle Teilnehmer der Gruppenreise kannten sich vor Beginn nur flüchtig und es gelang, dass sich bereits am ersten Tag nach der Ankunft ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte.
Somit war die Reise von Beginn an sehr angenehm und von Harmonie geprägt.
Rundreise ins Landesinnere
Um einen guten ersten Eindruck von Gambia zu gewinnen, empfiehlt es sich das Land anzusehen. Nach einem Tag der Akklimatisierung, gingen wir auf eine mehrtägige Rundreise.
Unsere Fahrt ging nach dem Frühstück los und zusammen mit unserem gut deutschsprechenden Tourguide Ibrahim ging unsere Reise von unserem Hotel über Banjul mit einem über dreißig Jahre alten Mitsubishi Bus zur „West Coast“, eine der insgesamt sechs Regionen des Landes. Genauer in die Kombo Saint Mary Area.
Ein Blick aus dem Busfenster zur Straße lässt erkennen, dass man in Afrika ist. Wenig geteerte Straßen, kein Gehsteig, rote Erde und nicht selten überholt der Bus einen Eselkarren.
Das erste Ziel war ein traditioneller Ziegenmarkt. Bereits dort zeigte sich ein verzerrendes Bild für europäische Augen, da gleich vor Ort auch geschlachtet wurde. Ein weiterer Blick nach oben zeigte, wie am Himmel die Geier ihre Kreise zogen.
Hier haben wir uns nicht lange aufgehalten und sind weiter zu einem der klassischen, traditionellen gambischen Holzmärkten gefahren. Wir kamen direkt in Kontakt mit den Händlern und das Feilschen gehört zum guten Ton und ist ein Kerngebiet des afrikanischen Handel.
Um einen guten und fairen Preis für die handgeschnitzten Kunstwerke zu verhandeln empfiehlt sich folgende Strategie sehr gut: nachdem die Ware vorgestellt und beobachtet wurde, schlägt der Händler einen ersten Preis vor. Geht man nun zwei Drittel vom genannten Preis runter und einigt sich am Ende circa in der Mitte, so sind meist beide Seiten zufrieden.
Nachdem einige ihre ersten Erfahrungen im afrikanischen Handeln sammelten und schöne Stoffe, Trommeln und Figuren ersteigerten, konnten wir unsere sonnige Fahrt fortsetzen.
Auf dem Highway, der eher an eine einfache Landstraße erinnerte, passierten wir nun unseren ersten Checkpoint. Von diesen gibt es mehrere im Land. Sie markieren einen bestimmten Abschnitt.
Auffällig ist, dass die Checkpoints nicht von Gambischen Militär bewacht werden, sondern es oft Soldaten aus dem Senegal oder Ghana waren. Im Frühjahr 2017 gab es einen Machtwechsel in Gambia. Jammeh, der frühere autokratische Präsident, verlor die Wahlen, an Adama Barrow, den jetzigen Präsidenten. Da Jammeh aber das Ergebnis der Wahlen nicht anerkennen wollte, gab es zunächst Unruhen im Land.
Doch die Afrikanische Union, mit Unterstützung des Sicherheitsrates der UNO, schickte Soldaten aus dem Senegal und Kampftruppen marschierten in Gambia ein, der Diktator Jammeh floh nach Äquatorialguinea.
Seitdem sichern Soldaten aus dem Senegal, Sierra Leone und Ghana zusammen mit dem Gambischen Militär die Stabilität des Landes und eben diese Checkpoints.
Es ging auf der sandigen Straße weiter. Wir passierten die Grenze zur Lower River Region und kamen am späten Nachmittag bei annähernd 40 Grad in unserem ersten Camp „Tendaba Lodge“ an.
Im Landesinneren sind die Temperaturen höher als an der Küste und es gibt keine frische Brise. Wir schwitzten alle ordentlich. Erst gegen Abend kühlte es meistens um einige wenige Grad ab. Strom gab es hier nur zwischen 19 Uhr bis 2 Uhr nachts.
Nach einer kurzen Pause und dem beziehen unserer Zimmer ging es sogleich auf ein etwas größeres, wackeliges Holzboot.
Nun waren wir das erste Mal auf dem berühmten Fluss, der dem Land seinen Namen gibt: River Gambia – und ab in den Mangrovenwald, wo es zahlreiche Vogelarten zu beobachten gab. Bei der Rückfahrt hatten wir ordentlichen „Seegang“ und fast keiner kam trocken ans Ufer, doch bei den hohen Temperaturen war das weniger schlimm.
Am darauffolgenden Tag verließen wir nach dem Frühstück das Camp und besuchten eine nahegelegene „Nursery School“. Mit Gesang und Tanz wurden wir herzlichst empfangen. Gambische Kindern lernen erst in der Schule die Amtssprache Englisch. Da in Gambia viele verschiedene Ethnien leben, die sich hauptsächlich durch ihre eigene Sprache definieren, sind die Gambier mehrsprachig. Hier zeigte sich bewusst und sichtbar die Ärmlichkeit des Landes. Die Kinder hatten kaum Stifte, der Lehrer kaum Unterrichtsmaterial und der Spielplatz lag rudimentär und trist auf roter Erde, mit einer Rutsche und kaputter Schaukel. Dennoch war die Warmherzigkeit spürbar. Kinder umarmten uns, nahmen unsere Hände, lachten, waren froh und wollten uns gar nicht mehr gehen lassen. Diese Erfahrungen machten wir auf der Rundreise nicht nur einmal.
Nun ging es von Tendaba südwärts nach Sintet. Hier betreibt der Verein „Socialis for the Gambia“ ein Skill Center mit den Ausbildungsschwerpunkten zur Landwirtschaft und der Schneiderei. Mit viel Gesang, umfunktionierten Töpfen und Kanistern als Trommeln und Tanz begrüßten uns die farbenfroh gekleideten Frauen des Ortes und führten uns in die schattigen Hütten des Skill Centers. Es ist eine enorme Herausforderung, bei der sengenden Hitze in der Trockenzeit, fruchtbaren Boden zu bewerkstelligen und diesen auch adäquat zu unterhalten. An diesem Tag durften wir Zeuge werden, wie eifrige junge Schneiderinnen ihr Zertifikat zur bestandenen Ausbildung mit Freude und Stolz entgegennahmen. Danach wurden wir mit den höchsten Fähigkeiten der afrikanischen Kochkunst von den Frauen bewirtet.
In einer Ansiedlung, das in der Nähe des Skill Centers lag, machten wir am späten Nachmittag Halt und konnten unsere ersten Säcke unserer mitgebrachten Kleidungen an die Bewohner verteilen. Die Dankbarkeit war groß. Nass geschwitzt fuhren wir zurück ins Camp, freuten uns über eine funktionierende Klimaanlage in den Zimmern und verbachten in geselliger Runde den Abend an der Küste des Gambia Rivers.
Das nächste Ziel unsere Reise brachte uns weiter ins Landesinnere und wir überquerten über die seit Januar 2019 neu eröffnete Senegambia Bridge nun zum ersten Mal den Fluss und fuhren weiter nach Farafenni. Eine pulsierende Stadt, wo das Leben auf der Straße stattfindet. Nach dem Auffüllen unserer Wasserreserven fuhr unser Bus weiter nach Wassu, zu den Senegambischen Steinkreisen, welche UNESCO-Welterbe sind.
Die Steine wurden um das 8. Jahrhundert von einer Megalithkultur auf früheren Gräbern errichtet. Traditionsgemäß lassen Besucher kleine Steinchen auf den Steinblöcken liegen, damit diese ihnen Glück bringen.
Ein einheimischer Museumsleiter versuchte uns mit gebrochenen „Denglisch“ über esoterische, mystische Zahlenspielereien die weltlichen Phänomene zu erklären. Ob man daran glaubt oder nicht, er war ziemlich davon überzeugt. Ein netter Mensch war er aber allemal.
Nun kam einer der schönsten Teile unserer Rundreise. Wir stiegen nahe Wassu in ein großes motorisiertes Holzboot und nach dem wir ein paar Hippos kurz gesichtet hatten, erreichten wir Janjanbureh (früher Georgetown).
Es wurde abenteuerlich und spätestens hier ist jedem von uns bewusst geworden, dass wir in Afrika waren. Es gab keinen elektrischen Strom und fließend Wasser nur sporadisch abgepumpt aus dem Gambia River. Auch mussten wir uns das Camp mit den hiesigen Affengruppen und vielen exotischem Getier und Insekten, wie Vögeln teilen. Unser Busfahrer erreichte mit seinem Vehikel ebenfalls das Camp über die holprigen Straßen und der Bus wurde nach kurzer Zeit schon von einem Affen okkupiert. Grund: Ali, unser Busfahrer, hatte das Fenster offen gelassen. Der „Kampf“ ums Essen mit den Affen war allgegenwärtig im Camp. Lustig, aber man musste vorsichtig und umsichtig sein.
Nachdem wir die Nacht im Janjanbureh-Camp gut überstanden hatten, setzten wir mit einer uralten Fähre nach Janjanbureh über und besichtigten die ehemalige Kolonialstadt mit ihren pulsierenden Märkten und freundlichen Bewohnern.
Mit dem Bus ging es unter der glühende Sonne Gambias zurück nach Farafenni. Wir wurden gut bewirtet in einem Restaurant von Bekannten unseres Busfahrers. Erneut ging es wieder auf die holprige Straße. Wir machten Halt in einem Dorf und spendeten einer 14-köpfigen „Kleinfamilie“ Reis und Süßigkeiten.
Das nächste Abendteuer ließ nicht lange auf sich warten. Aus dem rechten hinteren Radkasten ertönte ein seltsames, lautes Geräusch. Einer der hinteren Zwillingsreifen war stark beschädigt und der Reifen löste sich förmlich auf. Die afrikanische Genügsamkeit bekamen wir erneut zu spüren. „Ignore the noise“, war die fachkundige Einschätzung unseres Fahrers. Mit scheuerndem Reifen, bangen Gedanken, ob wir nun mit Autopanne mitten in der Gambischen Savanne übernachten müssen, ging es über löchrig, rote Sandwege zu unserem letzten Ziel der Rundreise. Kunta Kinteh Island.
Da die Insel als historischer Ort den westafrikanischen Sklavenhandel dokumentiert, zählt sie seit 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Mit Kunta Kinteh Island und zugehörige Stätten wurden sieben Objekte zusammengefasst. Die Festung Fort James, die auf James Island lag, ist heute nur noch teilweise vorhanden. Teile wurden von den Gezeiten weggeschwemmt, zu sehen sind Mauerreste auf dem Kern der Insel. (Quelle Wikipedia)
Erschöpft erreichten wir gegen Abend Barra. Hier existiert die wichtigste Fährverbindung des Landes nach Banjul. Abermals zeigte sich umso mehr, welche Privilegen die „Toubabs“ (westafrikanische Bezeichnung für Weiße) gegenüber der einheimischen dunkelhäutigen Bevölkerung genießen. Es ist keine Seltenheit, dass LKW-Fahrer bis zu vier Tage warten müssen, um mit der Fähre überzusetzen. Wir durften ohne Reservierung als Erster auf die Fähre. Uns beschlich ein paradoxes Gefühl. Wir waren beschämt und dankbar im gleichen Moment, bald ins Hotel zurück kommen zu dürfen, um die Nacht in bequemen Betten zu verbringen.
Auch wenn dies nur eine kurze Rundreise war, haben wir einen sehr guten Eindruck über das kleinste Land Afrikas gewinnen können und uns für den restlichen Aufenthalt in Gambia im Umgang mit der lächelnden und freundlichen Bevölkerung sehr geprägt.